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Das SED-Regime in Ost-Berlin unter Druck

Die Rede, die der 1. Sekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Walter Ulbricht, auf der 30. Tagung des Zentralkomitees (ZK) hielt, richtete sich vorrangig gegen das Konzept des einflussreichen Agrarpolitikers der Partei, Kurt Vieweg (1911–1976), der den seit 1952 rigoros vorangetriebenen ‚Aufbau des Sozialismus‘ auf dem Lande (und damit die Kollektivierung der bäuerlichen Betriebe) kritisiert hatte. Ulbrichts Verdikt war aber in eine breitere Kampagne gegen Kräfte eingebettet, die nach Nikita Chruschtschows Verurteilung Stalins auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 auch in der DDR eine flexiblere Politik gefordert hatten. Unter dem Eindruck des Aufstands gegen die sowjetische Herrschaft in Ungarn im Oktober/November 1956 und der Forderungen nach Abwendung vom Stalinismus in Polen nahm Ulbrichts Macht sogar in der SED vorübergehend ab. Nachdem die sowjetische Armee das ‚Tauwetter‘ aber in Ostmitteleuropa gewaltsam beendet hatte, gewann der ostdeutsche Parteichef Ende 1956 die Kontrolle in der DDR zurück. Er entmachtete daraufhin seine innerparteilichen Kritiker, darunter auch Vieweg, der im März 1957 von allen Ämtern zurücktreten musste und in die Bundesrepublik Deutschland floh. Schon im Oktober kehrte er jedoch unter weiterhin nicht vollständig geklärten Umständen in die DDR zurück, wo er zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Die Rede ist in zwei Fassungen überliefert, die sich trotz einiger identischer Abschnitte voneinander unterscheiden. Da zu den Gründen der Differenzen keine Belege vorliegen, können in der Beschreibung der Schlüsselquelle lediglich Plausibilitätsannahmen vorgestellt werden.