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Der Knappenbrief oder die Ordnung der Tuchmachergesellen Berlins und Cöllns von 1331

Übersetzung (Knut Schulz)

Im Namen des Herrn. Amen. Wir, Otto von Buch und Gerhard von Rathenow, Bürgermeister in Berlin, anerkennen mit Zustimmung der anderen Mitglieder dieses Stadtrates in Gegenwart aller Beteiligten, dass wir unseren getreuen und geliebten Wollschlägern und Wollwebern von Berlin und Cölln folgende Statuten genehmigen und bewilligen, um sie untereinander zu bewahren; und zwar

[1.] an erster Stelle, dass sie vier große Wachskerzen für die Totenfeier eines Gesellen und vier kleine für die eines Lehrlings bzw. Knaben bereithalten sollen; die zwölf gewählten Vertreter sind verantwortlich für die Totenfeier und die Darbringung der Abgabe für die Messe aus der Gemeinschaftskasse (bursa communi). Außerdem sorgen sie dafür, dass an allen Sonn- und Festtagen ihre beiden großen Kerzen brennen, und zwar die eine vor dem heiligen Kreuz in der Marienkirche in Berlin und die andere in der Petrikirche in Cölln; zur Finanzierung soll jeder von ihnen pro Quartal einen Denar Brandenburger Währung zahlen.

[2.] Ein Fremder ihres Gewerbes, der nach Berlin oder Cölln kommt und sich als Gast bzw. Untermieter bei irgendeinem Bürger einquartiert, darf nicht eher weiterwandern, bevor er die Kosten beglichen hat.

[3.] Wenn jemand beim Würfeln oder Kegeln mit einem Handwerksgenossen oder einem anderen mehr als drei Denare am Tag verspielt, zahlt er eine Strafe von einem Pfund Wachs an ihre Gemeinschaft (communitas).

[4.] Wer seine Stiefel oder Schuhe, Hemd oder Hose verwürfelt oder verkegelt, zahlt ebenfalls ein Pfund Wachs. [5.] Beschuldigt bzw. verleumdet einer ihrer (gewählten) Meister einen aus ihrem Kreis wenig begründet oder angemessen, leistet er als Wiedergutmachung an den Betroffenen (die Strafsumme), die diesem auferlegt worden wäre.

[6.] Wenn jemand von ihnen einen Diebstahl begeht und überführt wird, soll dieser für alle Zeiten von der Berufsausübung (sowie der Berufsgemeinschaft) in der Mark (= Brandenburg) ausgeschlossen sein.

[7.] Hat einer von ihnen zwei legitime Ehefrauen, unterliegt er ebenfalls einem Berufsverbot in der ganzen Markgrafschaft.

[8.] Übernimmt einer von ihnen einen Werkauftrag bei zwei Gewandschneidern zugleich, zahlt er ein Pfund Wachs, er sei Meister oder Arbeiter (operarius), also eyn knape.

[9.] Wenn sich ein Meister oder Knappe (von einem Arbeitsvertrag) abwerben lässt, zahlt er ein Pfund Wachs. [10.] Wer von ihnen seinem Meister einen Teil des Geldes (= Vorschuss?) nicht erstattet, gibt ein Pfund Wachs und darf nicht weiterarbeiten, bevor er nicht zahlt.

[11.] Nimmt jemand Abschied von hier, wird sein Meister ihm den Verdienst unmittelbar aushändigen; zieht er nicht sogleich von dannen, erhält er das Geld am nächsten Markttag.

[12.] Außerdem untersagen wir (= nun der Stadtrat), dass irgend ein Meister oder Knecht nach dem ersten Vesperläuten in Berlin und Cölln am Sonnabend weiter arbeitet; geschieht es dennoch, ist die Strafe ein Pfund Wachs, von einem Meister an die Meister, von einem Knecht an die Knechte.

[13.] Keiner von ihnen darf bei Kerzenlicht arbeiten, bei Strafe von einem Pfund Wachs.

[14.] Wenn einer von ihnen in einer Taverne so viel trinkt, dass er sich übergibt, zahlt dieser zur Strafe ein kleines Viertel Bier, was ein drageverndel (= »Trageviertel«?) genannt wird.

[15.] Auch soll ein jeder Knecht seinem Meister gehorsam sein, sonst zahlt er ein Pfund Wachs.

[16.] Für die Annahme zur Lehre ist ein Pfund Wachs an die Gemeinschaft (= universitas) zu zahlen.

[17.] Keiner von ihnen darf mit nackten Füßen auf den Straßen gehen, noch lediglich im Hemd, sonst erfolgt eine Strafe von einem Pfund Wachs.

[18.] Auch soll keiner von ihnen mit Spielleuten und Straßensängern bzw. Possenreißern (buvonibus?, vergleiche buffo?) oder mit anderen, die als Schausteller (?) (ludus cothonus) in der Öffentlichkeit auftreten, bei Strafe von einem Pfund Wachs würfeln.

[19.] Auch soll keiner von ihnen zu dem Platz in Berlin gehen, der Ples genannt wird, um sich zu verdingen, sofern seine bereits übernommene Arbeit nicht schon bis zu dem Punkt gelangt ist, den man Havelreke (?) nennt, was die Wollweber betrifft.

[20.] Die Wollschläger (lanifices) aber gehen nicht zu dem vorher genannten Platz, um sich bei anderen zu verdingen, es sei denn, dass ihnen (nur noch) ein Stein Wolle, was volkssprachlich eyn stein wulle genannt wird, übrig geblieben ist, um eine solche Menge zu schlagen, das heißt tu gherwende (»zu gerben« bzw. zu säubern?), bei Strafe von einem Pfund Wachs.

[21.] Auch sollen unsere Wurstmacher (fartores) irgendwelche zur Herstellung von Saiten geeignete Därme (zum Auflockern und Säubern des Wolltuchs mit dem sogenannten wullenbogen?; vergleiche Schiller/Lübben, Bd. 5, S. 785) nur an den von den Wollschlägern und Wollwebern gewählten Saitenmacher verkaufen.

[22.] Ebenso wollen wir, dass jemand, der es versäumt, auf den von ihnen einberufenen Versammlungen zu erscheinen, ihren meysterknapen drei Denare Brandenburgischer Währung als Strafsumme entrichtet.

[23.] Wer jedoch gegen all die vorher genannten Bestimmungen etwas unternimmt, ist nach dem Spruch der zuvor genannten meysterknapen zu verurteilen und zu strafen.

[24.] Auch soll ein Wollweber, der für einen (Kunden bzw. Auftraggeber) zu weben beabsichtigt, das (schon) begonnene Werk (erst) beenden, es sei denn, dass ein wahrer Hinderungsgrund eintritt, den die meysterknapen sachkundig geprüft haben.

[25.] Kein Leineweber darf deren Werk (= der Wollwerber) ausüben, noch eine Ehefrau haben, die dieses Gewerbe betreibt, bevor sie es nicht aufgibt.

Damit alle Bestimmungen durch uns und unsere Nachfolger unverletzt und unverändert bewahrt bleiben, übergeben wir ihnen als sichtbares Zeugnis (diese Urkunde) bekräftigt mit unserem Siegel. Verhandelt und gegeben in Berlin im Jahr des Herrn 1331 am Tag der heiligen Witwe Elisabeth.