Privileg Markgraf Johanns I. von Brandenburg für Frankfurt (Oder) von 1253
Das Privileg Markgraf Johanns I. von Brandenburg für Frankfurt (Oder) von 1253
Winfried Schich
Zur Überlieferung und zum Inhalt der Urkunde
Der Wortlaut der Urkunde von 1253 liegt in zweifacher Überlieferung vor: in einer lateinischen Fassung in einem Transsumpt Markgraf Hermanns von Brandenburg vom 2. August 1307 mit Abschrift des Textes und angefügter Bestätigung sowie in einer deutschen Übersetzung im Lehnskopiar Kurfürst Friedrichs I. von 1411–1424.[1] Der Text ist in beiden Fassungen in großen Teilen identisch, doch gibt es auch eine Reihe von Abweichungen, sowohl im Wortlaut als auch im Inhalt und sogar im Tagesdatum: in der deutschen Fassung der Vorabend von Sankt Margareten (12. Juli), in der lateinischen der Folgetag (14. Juli) dieses Festtages.[2]
Infolge dieser Abweichungen geht der überwiegende Teil der Forschung davon aus, dass 1253 zwei markgräfliche Urkunden weitgehend gleichen Inhalts ausgestellt wurden, von denen die eine für den Lokator, die andere für die Stadt bestimmt war.[3] Bei der Lokation, das heißt bei der Gründung und Privilegierung einer Stadt, wurden in der Regel drei ›Parteien‹ in einer Urkunde berücksichtigt: der Stadtherr, der von ihm mit der Anlage der Stadt und ihrer Besetzung (=locatio) mit Siedlern betraute Lokator, der üblicherweise das Amt des Schultheißen erhielt, und die Stadtgemeinde.
Einwände gegen die Echtheit des Textes von 1253 in der lateinischen Urkunde hatte Hermann Krabbo vorgebracht.[4] Seiner Ansicht nach hätten Lokator und Stadt jeweils ein Exemplar mit demselben Text erhalten, der die Interessen aller Beteiligten berücksichtigte. Dies sei der in deutscher Übersetzung überlieferte, der für die Stadt bestimmte sei in der vorliegenden Form verfälscht worden. Bevor die Stadt den Text ihres Exemplars 1307 dem Markgrafen zur Bestätigung vorgelegt habe, seien in ihm einerseits die Rechte des Lokators als nicht mehr zeitgemäß getilgt, und andererseits sei er um eigene Rechte erweitert worden, die die Stadt innerhalb des vergangenen etwa halben Jahrhunderts zusätzlich erworben oder sich durch Gewohnheit angeeignet hatte. Im Folgenden soll zunächst auf den in deutscher Übersetzung vorliegenden umfangreicheren Text (siehe Abbildung) unter Berücksichtigung der entsprechenden Passagen im lateinischen eingegangen werden.
Am Anfang der Darlegung des Rechtsgeschäfts teilte der Markgraf mit, dass er seinem Getreuen Gottfried von Herzberg die Stadt Frankfurt zum Aufbau übergeben habe. Die ergänzende Bestimmung, dass dieser den dritten Teil der dem Markgrafen von den Baustätten und den Hufen zustehenden Zinsen sowie von den Gerichtseinkünften erhalten sollte, fehlt im lateinischen Text. Die Zahl der Hufen von Weiden und Äckern wurde mit 124 festgesetzt. Dabei handelt es sich um die vermessenen Wirtschaftsflächen innerhalb der städtischen Gemarkung. Von den Ackerhufen verlangte der Markgraf als Jahreszins jeweils einen Vierdung, das heißt eine viertel Mark. Hinsichtlich der Zahl der Ackerhufen weichen beide Texte voneinander ab: 124 im deutschen, 104 im lateinischen. Aus dem deutschen Text kann man schließen, dass der angegebene Zins für diejenigen der 124 Hufen gelten sollte, die unter den Pflug genommen wurden. Die Herkunft der Zahl von 104 Ackerhufen im überlieferten lateinischen Text aus dem Jahr 1307 ist nicht eindeutig zu klären. Sie muss nicht unbedingt aus der städtischen Urkunde von 1253 übernommen worden sein. Sie kann etwa auch in einem Abschreibfehler (versehentliches Auslassen des Wortes viginti (= 20) oder in einer bewussten Reduzierung der zinspflichtigen Ackerhufen begründet sein. Der Zeitraum der Steuerfreiheit wurde mit sieben Jahren festgesetzt, gerechnet vom nächsten Martinstag (11. November 1253) an. Erst mit dem Beginn der schuldigen Abgaben sollte das Stadtrecht gelten, das Frankfurt von der Stadt Berlin übernehmen durfte. Eine nächst den Äckern gelegene Wiese und ein Werder sollten als Allmende genutzt werden.
Es folgen Bestimmungen zur Regelung und Förderung des Handels- und Marktverkehrs. Nahmarktprodukte unterhalb einer bestimmten Kaufsumme und solche für den täglichen Bedarf blieben zollfrei, ebenso der Kauf en détail von Handelswaren, die in die Stadt gebracht wurden. Das Kaufhaus und sonstige notwendige Bauten auf dem Markt der Stadt sollten zu deren Nutzen errichtet werden, doch behielt sich der Markgraf von den einzelnen Ständen im Kaufhaus, auf dem Markt und auch auf den Jahrmärkten einen Zins von jeweils drei Pfennigen vor, von denen wiederum dem Lokator ein Pfennig zustand. Wenn die Bürger eine Brücke (über die Oder) mit eigener Arbeit und auf eigene Kosten bauen würden, überließe der Markgraf sie ihnen zur freien Verfügung. Die Zollsätze sollten von Markgraf und Bürgern einvernehmlich festgesetzt werden.
Allein in der deutschen Fassung folgen die Rechte des Lokators an den (Wasser-)Mühlen. Er erhielt zwei von drei bereits bestehenden Mühlen, von denen die eine hinter seinem Hof stand. Von weiteren Mühlen, die er im Stadtgebiet errichten würde, stand dem Markgrafen die Hälfte des Gewinns zu.
In beiden Fassungen gab der Markgraf allen Frankfurter Bürgern die Erlaubnis, in beziehungsweise an der Oder oberhalb der Stadt eine Meile, unterhalb eine halbe Meile zu fischen, Hasen sowie Rebhühner und andere Vögel zu fangen, dies aber nur zur eigenen Nutzung, nicht um sie des Gewinns wegen zu verkaufen.
Abschließend wies der Markgraf darauf hin, dass er an einem Platz Zliwitz (Zlirviz oder Zbirviz? [schwer lesbar])[5] jenseits der Oder die Gründung einer weiteren Stadt ins Auge fasste. In ihr sollte der Frankfurter Schultheiß dasselbe Recht haben wie in Frankfurt.
Der Inhalt der in deutscher Übersetzung vorliegenden Urkunde gibt zu keinerlei Bedenken Anlass. Er entspricht dem anderer markgräflicher Lokationsurkunden: von der Beauftragung des Lokators mit dem Aufbau der Stadt bis zur Verleihung des Stadtrechts.[6] Nicht nur beim Stadtrecht, sondern auch bei der Hufenzahl diente Berlin für Frankfurt als Vorbild. Berlin besaß 120 Hufen, Frankfurt erhielt 124. Die vier zusätzlichen Hufen bildeten in dieser Zeit hier die übliche Ausstattung für die lokale Pfarrkirche. Landwirtschaftliche Betätigung wurde über Handel und Handwerk hinaus in die Stadt integriert, um ihre Wirtschafts- und Wehrkraft zu stärken. Die Stadt bildete eine bürgerliche ›Großburg‹, die einschließlich ihrer Befestigung im Wesentlichen von ihren wirtschaftlich aktiven Bewohnern gebaut, unterhalten und verteidigt wurde. Dies machte eine herrschaftliche Burg mit einer speziellen Besatzung entbehrlich.
Die Abweichungen zwischen beiden überlieferten Texten von der Invocatio am Anfang bis zur Datierung am Schluss sprechen für die Ausfertigung von zwei Urkunden für zwei unterschiedliche Empfänger. Trotz der heute weit verbreiteten Ansicht von der Echtheit auch des für die Stadt bestimmten lateinischen Textes bleiben Bedenken bestehen.[7] Man muss mit der Möglichkeit rechnen, dass es sich bei den zusätzlichen Besitzungen und Rechten der Stadt um solche handelte, die dieser nach 1253 zugewachsen waren und die sie sich 1307 von Markgraf Herrmann bestätigen ließ. Es betrifft folgende drei Passagen, die in der deutschen Übersetzung fehlen.
Zwischen der Zahl der Hufen der Frankfurter Äcker sowie der benachbarten Wiese und Insel findet sich der Passus, dass Markgraf Johann der Stadt zusätzlich 60 Hufen auf dem jenseitigen Ufer der Oder gab, von denen, soweit sie bebaut wurden, ebenfalls jährlich ein Vierdung entrichtet werden sollte, sobald die Freijahre endeten. Man darf vermuten, dass die 60 Hufen ursprünglich als agrarische Ausstattung der Stadt vorgesehen waren, deren Bau auf dem rechten Oderufer erfolgen sollte. Nachdem die Planung nicht in die Tat umgesetzt worden war, wurden die 60 Hufen ›frei‹, konnten der Frankfurter Gemarkung zugeschlagen und so in der Urkunde von 1307 bestätigt werden. Es ist nur schwer vorstellbar, dass der Markgraf innerhalb von zwei Tagen seine Meinung über die Zuordnung dieser Hufen zugunsten der Stadt Frankfurt geändert hat, ohne sein Vorhaben der Gründung der zweiten Stadt aufzugeben, denn dieses erscheint in beiden Fassungen. Die Ausstattung mit Hufen war in dieser Zeit selbstverständlicher Bestandteil der markgräflichen Stadtgründungen.
Auf die Festsetzung der Gebühr für die Marktstände folgt im lateinischen Text das Gebot, dass dies auch für den Markt bei Sankt Nikolai gelten soll. Daraus hat die Forschung einen deutschrechtlichen kaufmännisch-gewerblichen Marktort (villa forensis/fori) mit einer Nikolaikirche erschlossen, der nach lokalem Marktrecht (ius fori), einer Frühform des Stadtrechts, mit eingeschränkter Selbstverwaltung unter einem Schultheißen organisiert war.[8] Er könnte von Herzog Heinrich dem Bärtigen von Schlesien (1201–1238) vor allem für deutsche Zuwanderer gegründet worden sein. 1253 wurde die rechtliche Grundlage für die Errichtung einer neuen Stadt (civitas) mit voll ausgebildetem Stadtrecht und umfassender kommunaler Selbstbestimmung geschaffen. Diese erhielt baulich einen neuen Marktplatz, auf dem ein Kaufhaus und weitere Verkaufsstätten und neben dem die neue Stadtpfarrkirche Sankt Marien errichtet wurden. Man darf davon ausgehen, dass die für dieses forum gefundenen Regelungen auch für den Markt in der Nikolaisiedlung gelten sollten, die in die neue Stadt einbezogen wurde. Dies spricht dafür, dass der fragliche Passus zum Text von 1253 gehörte. Andernfalls müsste man annehmen, dass auf dem alten Markt nach 1253 gewisse abweichende Rechte, etwa des Schultheißen, oder Gewohnheiten fortbestanden, die die Stadt 1307 abgestellt haben wollte.
Markgraf Johann hat also die civitas Frankfurt nicht ›auf der grünen Wiese‹ gegründet, sondern im Anschluss an einen bereits bestehenden nichtagrarischen Siedlungskomplex mit Markt, Kirche, Mühlen und Schultheißenhof. Die Mühlen standen ebenso wie der Schultheißenhof nördlich der Nikolaisiedlung am Klinke-Fließ, das sich von der Höhe herab in die Oder ergoss.[9] Mit der Privilegierung wurde die Stadtentwicklung 1253 auf eine neue Grundlage gestellt, indem die institutionelle Bürgerstadt mit einer vertragsfähigen Gemeinde mit eigenem Stadtsiegel gegründet wurde.
Der Markgraf plante sogar eine Doppelstadt beiderseits des großen Flusses, wie sie in den entwickelten Zentren der Mark, nämlich in Brandenburg (Alt- und Neustadt) und Berlin-Cölln, bereits bestand. Doch der Plan wurde nicht in die Tat umgesetzt. Eine Stadt auf dem östlichen Oderufer entstand erst Jahrhunderte später auf der Grundlage völlig neuer Voraussetzungen, nachdem die unselbstständige Frankfurter Dammvorstadt in S?ubice umbenannt worden war. Mit der polnischen Stadt S?ubice wurde der 1253 bezeugte slawische Örtlichkeitsname Zliwitz nach etwa 700 Jahren wieder aufgenommen.
Auf die Zollregelung folgt im lateinischen Text die Bestätigung des Rechts der ›Niederlage‹, mit dem bereits vor 1253 der Marktort ausgestattet gewesen sein müsste, denn er sollte ›bleiben‹ und nicht verlegt werden. Zum üblichen Bestandteil der Lokationsprivilegien gehörte der Stapelzwang für Handelswaren durchreisender Kaufleute nicht. Das Frankfurter Vorbild Berlin erreichte die Bestätigung der Niederlage nicht vor 1298.[10]
Nach all dem bleiben Zweifel daran, ob der gesamte aus dem Jahr 1307 überlieferte Text dem Wortlaut der 1253 für die Stadt ausgestellten Urkunde entspricht. Wenn man trotz der Bedenken den gesamten lateinischen Text einer echten Urkunde von 1253 zuordnen will, so muss man den Einfluss der Kaufleute auf ihn als ausschlaggebend betrachten.
Die Expansion der brandenburgischen Markgrafen und die Gründung der neuen Stadt an der Oder
Die Gründung und Privilegierung der Stadt Frankfurt nach dem Vorbild von Berlin gehören zu den Stadtgründungsvorgängen unter den Markgrafen Johann I. und Otto III. (1220–1267), die in schriftlichen Quellen gut dokumentiert sind. Die Brüder gehörten zu den Fürsten, die die Gründung von Städten als wichtiges Mittel zur Festigung und Ausweitung ihrer territorialen Herrschaft nutzten.[11] Die um 1280 verfasste Chronik der brandenburgischen Markgrafen hebt als herausragende Taten Johanns und Ottos hervor: »Sie erwarben von dem Fürsten Barnim (von Pommern) die Länder Barnim und Teltow und viele andere, kauften das Uckerland bis zur Welse […], bauten Berlin, Strausberg, Frankfurt, Angermünde, Stolpe, Liebenwalde, Stargard, Neubrandenburg und viele andere Orte, verwandelten Wüsteneien in Äcker und gewannen so Überfluss an allen Gütern.«[12] Es wird deutlich, dass das Land ausgebaut und über die Städte wirtschaftlich erfasst wurde. Die namentlich aufgeführten Städte liegen mit einer Ausnahme nördlich beziehungsweise nordöstlich von Berlin in den Landschaften Barnim, Uckermark und Stargard. Dies war im 13. Jahrhundert die Hauptrichtung der askanischen Expansion vom Havelland aus.
Die Ausnahme bildet Frankfurt. Der Ort lag in dem ursprünglich polnischen Land Lebus, das sich beiderseits der Oder erstreckte und nach dem gleichnamigen Hauptort (nördlich von Frankfurt) benannt wurde.[13] Dieser vereinigte in sich Burg, Bischofssitz und städtische Siedlung. Der schlesische Herzog Heinrich der Bärtige hatte im westlich der Oder gelegenen Teil in den 1220er Jahren einen weitreichenden Landesausbau vor allem mit deutschen Neusiedlern eingeleitet, zu dem er als Siedlungsträger schlesische Klöster mit den Zisterzen Leubus (Lubi??) und Trebnitz (Trzebnica) an der Spitze heranzog. Dazu gehörte auch die Gründung eines Leubuser Marktortes, aus dem die Stadt Müncheberg hervorging.
Das Land Lebus war bald von Westen her dem Expansionsdruck der Erzbischöfe von Magdeburg, der Markgrafen der Lausitz und derjenigen von Brandenburg ausgesetzt. Eine Gelegenheit zum Vordringen boten ihnen innerschlesische Auseinandersetzungen, in denen die beteiligten Herzöge jeweils Unterstützung bei ihren westlichen Nachbarn suchten. Kurz nachdem 1249 der Erzbischof von Magdeburg die Hälfte des Landes Lebus von Herzog Boles?aw erhalten hatte, gewannen auch die Markgrafen von Brandenburg Anteil an diesem Land. 1252/53 teilten die Markgrafen und der Erzbischof das Land Lebus. Bereits im Jahr 1253 leitete Markgraf Johann in seinem Landesteil den Aufbau der neuen Stadt Frankfurt ein. Frankfurt sollte im neuen markgräflichen Land vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht die zentrale Funktion übernehmen. Bereits für den Vorgängerort war offenbar dieser Platz ausgesucht worden, weil die natürlichen Voraussetzungen für die Flussüberquerung bei Frankfurt günstiger waren als bei Lebus.
Der Marktort war vermutlich zunächst stark nach Südwesten hin orientiert, nämlich auf die von Frankfurt am Main aus nach Osten gerichtete Franken- oder Hohe Straße, die über Leipzig, Erfurt und Görlitz nach Breslau verlief.[14] Von ihr zweigte in Leipzig eine Fernstraße ab, die über Torgau an der Elbe, Herzberg an der Schwarzen Elster und Luckau, das wirtschaftliche Zentrum der (Nieder-)Lausitz, nach Frankfurt (Oder) führte. So lässt sich wohl auch die Wahl des Ortsnamens an der Oder erklären. Der Herkunftsname von Herzberg des Lokators und Schultheißen, der 1253 bereits einen Hof neben dem Marktort besaß, weist in dieselbe Richtung.
Erst zur Zeit der Privilegierung der neuen Stadt wird 1253 der Anschluss von Frankfurt an die Mittelmark mit der Hauptstadt Berlin im Westen stärker deutlich. Marsilius, der Schultheiß von Berlin, und Dietrich von Blumberg, einem Städtchen an der Fernstraße von Berlin über den Barnim nach Oderberg, waren bei der Ausstellung der Urkunde anwesend. Es drängt sich die Vermutung auf, dass beide Zeugen als Kaufleute im Fernhandel engagiert waren, darunter zur und auf der Oder, anfangs über Oderberg, dann zusätzlich über Frankfurt.
Über Frankfurt sollte das Land beiderseits der Oder an den Nord-Süd-Fernhandel auf dem Wasser- und Landweg angeschlossen sowie der Landverkehr in west-östlicher Richtung gefördert werden. Die Stadt erhielt die gleiche Funktion für das Land beiderseits der Oder, wie die Doppelstadt Berlin-Cölln sie für Barnim und Teltow beiderseits der Spree bereits wahrnahm. Damit hängen der Bau der Oderbrücke und das Vorhaben der Gründung eines städtischen Brückenkopfes am Platz Zliwitz auf dem gegenüberliegenden Ufer zusammen.
Die enge Bindung Frankfurts an Berlin wird aus dem Brief deutlich, den die Berliner Ratmannen bald nach der Privilegierung an die Frankfurter schickten.[15] In ihm teilten sie Einzelheiten über die Anwendung der Selbstverwaltung nach dem in Berlin geltenden Stadtrecht, vor allem im Bereich von Handel und Gewerbe, mit, wie sie selbst es von den Brandenburgern übernommen hatten.
Die Planung der neuen Stadt und deren Umsetzung sind nur im Zusammenwirken von Markgraf, Lokator und Bürgern vorstellbar. Ein Teil der Bürger und wohl auch der Lokator-Schultheiß dürften schon in oder bei der städtischen Vorgängersiedlung ansässig gewesen, neue Bürger bald hinzugekommen sein. Die Bürger mit den Kaufleuten an der Spitze müssen tat- und kapitalkräftig genug gewesen sein, dass sie nicht nur ihre privaten, sondern auch die öffentlichen Bauten mit eigener Hände Arbeit und auf eigene Kosten erstellen konnten. Dies gilt neben der neuen Pfarrkirche auch für die unbedingt erforderliche Befestigung der Stadt, die dem archäologischen Befund zufolge anfangs aus Wall, Graben und Palisaden bestand.[16] Ihr Bau wird in der Urkunde nicht erwähnt, anders als Kaufhaus und Oderbrücke, von denen der Markgraf Abgaben verlangte. Mit der neuen Stadt an der Oder gewann der Markgraf 1253 zugleich ein wichtiges Sprungbrett für das weitere Vordringen über die Oder nach Osten.
[1] Die lateinische Urkunde von 1307 ist Kriegsverlust. Zur Überlieferung: Hermann Krabbo, Die Stadtgründungen der Markgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg (1220–1267), in: Archiv für Urkundenforschung 4 (1912), S. 255–290, hier 273–277; Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause, bearb. von Hermann Krabbo/Georg Winter, Berlin 1955, Nr. 766 (1253) und 2027 (1307) [im Folgenden: Regesten]; zuletzt Monika Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder) im 13. und 14. Jahrhundert. Untersuchungen zur Bevölkerungsstruktur und Siedlungsentwicklung (Frankfurter Jahrbuch 2008/09), Frankfurt (Oder) 2008, S. 105–112.
[2] Druck beider Fassungen jeweils mit hochdeutscher Übersetzung in: Urkunden und erzählende Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, T. 1: Mittel- und Norddeutschland, Ostseeküste, hrsg. von Herbert Helbig/Lorenz Weinrich (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Bd. 26a), 3. verb. Aufl., Darmstadt 1984, S. 242–251 Nr. 60.
[3] Zum Forschungsstand jetzt vor allem Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder), S. 111–120.
[4] Krabbo, Die Stadtgründungen, S. 273–277; Regesten, Nr. 766.
[5] Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder), S. 343 Anm. 47.
[6] Vgl. die Übersicht bei Krabbo, Die Stadtgründungen, nach S. 272.
[7] Auch nach der umfassenden und sorgfältigen Untersuchung von Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder), S. 105–120.
[8] Friedrich Schilling, Die erste Einwanderung und Ansiedlung von Deutschen in Frankfurt a. d. Oder, Frankfurt (Oder) 1926, S. 65–91; Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder), S. 121–158; Winfried Schich, Von Frankfurt an der Oder nach Landsberg an der Warthe. Die Anfänge der markgräflichen Stadtgründungen in der Neumark unter Johann I. und Otto III., in: Klaus Neitmann (Hrsg.), Landesherr, Adel und Städte in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Neumark (Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 14), Berlin 2015, S. 183–211, hier 188f. (mit weiterer Literatur).
[9] Schilling, Die erste Einwanderung, S. 33–43.
[10] Vgl. Winfried Schich, Die Gründungsurkunde für Landsberg an der Warthe von 1257, in: 100 Schlüsselquellen zur Geschichte von Berlin, Brandenburg und Preußen, S. 5f. [abgerufen am: 26. Juni 2017].
[11] Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg, Bd. 1, Berlin 1961, S. 159–166.
[12] Schich, Von Frankfurt, S. 183f.
[13] Kilian-Buchmann, Frankfurt (Oder), S. 43–51; Schich, Von Frankfurt, S. 183–188.
[14] Schich, Von Frankfurt, S. 190f.
[15] Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hrsg. von Adolph Friedrich Riedel, Hauptteil I, Bd. 23, Berlin 1862, S. 3f. Nr. 3.
[16] Schich, Von Frankfurt, S. 193.
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